Familienbuch "Rohlfs"

Detailliste

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20109 Arend Röhrs «aus 20096» , 20.06.1875 Bremen, 28.01.1948 Bremen, 31.01.1948 Bremen, Friedhof Buntentor, Stelle E 2281, Klasse a, [I20526], Silberarbeiter, Urkunden; Erzählungen von Elfriede Röhrs und Walter dos Santos, 1904 Adressbuch Bremen: Arend Röhrs, Silberarbeiter, Bremen, Yorkstraße 45

Arend Röhrs oder Brüne Röhrs kauft zwischen 1904 und 1908 das Haus an der Neuenlander Straße 151.
Die Finanzierung ist noch völlig rätselhaft.
1. Möglichkeit: Die Frau von Brüne Röhrs, Anna Gesine geborene Wülbers, hat von ihrem Vater Johann Wülbers, Schmied in Felde (Riede), viel Geld geerbt. Ob das aber gereicht hat bei sechs Geschwistern?
2. Möglichkeit: Die Frau von Arend Röhrs, Anna Margarethe Marie geb. Hinrichs, hat von ihrem Vater, dem Kutscher Johann Diedrich Hinrichs, viel Geld geerbt. Dann muss der aber mit seiner zweiten Frau Anna Margarethe Dorothea geb. Albers einen Volltreffer gelandet haben, dass es für ein Haus reicht.

1908 Adressbuch Bremen-Neuenland: Arend Röhrs, Silberarbeiter, Neuenland 151

Am 3. März 1913 wird das Haus an der Gneisenaustraße 21 auf den Namen von
Arend Röhrs Ehefrau, Anna Margarethe Marie geb. Hinrichs umgeschrieben.
Während des Krieges wird Arend Röhrs nicht zum Militär eingezogen.
Er arbeitet in Kiel auf der Werft. Die jüngste Tochter Elfriede macht beim Besuch in Kiel die ersten Schritte.
Nach 1917 wird das Haus an der Neuenlander Straße 151 verkauft.
Dafür kauft Arend Röhrs das Haus an der Kattenturmer Heerstraße 120.

Arend Röhrs hat einen kleinen Gemüsehandel. Mit Pferd und Wagen fährt er durch die Straßen und verkauft Gemüse. Am Sonntag wird der Wagen hin und wieder zur Kutsche. Dann macht die Familie einen Ausflug nach Tarmstedt und besucht Familie Wurtmann.
Georg Wurtmann wandert nach Brasilien aus, schickt begeisterte Briefe und versucht, auch die Familie Röhrs zum Auswandern zu überreden. Von einem dieser Briefe ist der erste Teil noch erhalten:
Brief von Georg Wurtmann an Arend und Anna Röhrs
(ohne Berichtigung von Rechtschreibfehlern)

Monte Alto den 15. Oktober 1922

Lieber Arnold u. Anna!
Euer uns so Lieben Brief haben wir bei guter Gesundheit erhalten und uns sehr dazu gefreut.
Lieber Freund ich kann Dir ehrlich mitteilen das wir hier noch keine Stunde Nahrungssorgen hatten und so lange keine andere verhältnisse in Deutschland platz greifen kehren wir dahin nicht zurück es müsste dazu sein das ich noch zuviel Geld habe um so eine vergnügungsfahrt zu machen denn wir sind hier über den schlechten Valutastand auch unter richtet. Die hier Täglich erscheinende Deutsche Zeitung bringt uns alles was man sich nur denken kann man ist hier der Ansicht das für Deutschland kein anderer Weg bleibt als sich mit dem Russischen Bolschewismus zu befreunden und Frankreich den Krieg vom neuen zu machen sonst bleibt Deutschland ein Grosses Gefängniss auf Menschen alter und noch mehr. Was ich in Wasielewski seine angelegenheit tun kann soll geschehen mir ist von der Auskunfts gefragt worden ob Wasielewski nicht in begleitung von arbeitsfähigen Verwandten kommen könne dann stände einen Krüppel beim Eintritt in das Bundes Gebiet nichts im wege ich habe den § Wörtlich abgeschrieben und lege auch den mit bei aber werde sehen das ich wens möglich das Schriftstück zu besorgen. Lieber Freund Du mögtes wissen wie es mit dem Eigetum erwerb ist es ist hier nichts leichter wie das; 6 Bremer Familien haben sich in Birygui bei Arras Katuba ohne Geld angesiedelt aber das ist nicht ratsam gleich ein stück land zu erwerben da man doch noch nicht mal der Sprache mächtig ist und von der hier zu treibenden Landwirtschaft mus auch noch mancher brocken geschluckt werden darum ist es besser wenn man ein oder zwei Jahre auf Kaffeefazenda geht da ist man als Lehrling am besten aufgehoben und Verdient sein Geld obendrein.
Man bezahlt auf 100 Morgen Land durchschnittlich 500 Mi…is an doch ist es nicht notwendig man kann auch 1 frei Jahr bedingen so wie Familie Bartels die haben in Minas Gerais gesiedelt ohne anzahlung doch das sind durch schnitt Leute erst können sie nicht schnell genug Siedeln und haben Sie es erreicht so laufen sie davon weil Sie noch nicht einmal wissen wie die Hacke auf den Stihl gehört also Geld ist hier nicht unbedingt nötigt Sprach Kentnisse und aneishnungsvermögen gute arbeitsfähige Familien wie Du hast kommt hier vorran ohne einen Heller.
Auch wir haben die Absicht zum Oktober 1923 zu Siedeln bis dahin bleibe wir auf Kaffeefazenda. Ihr schreibt von Blumenau das liegt im Staate Santa Catarina dort sind sehr viele Deutsche.
Lieber Freund selbst wenn Du hier mit deiner Familie ohne einen Pfenig Geld ankommst wirst Du hier bald 50 bis 100 Morgen Land dein eigen nennen können. So Ihr kommen wollt so

Der erwähnte Wasielewski ist ein Nachbar am Kattenturm.

Arend Röhrs entschließt sich nach Brasilien auszuwandern und will die Häuser für die Überfahrt und die Gründung einer neuen Existenz verkaufen. Seine Frau Anna verhindert den Verkauf des Hauses an der Gneisenaustraße.

Am 1. Februar 1923 bekommt die ganze Familie Röhrs, Arend und Anna sowie die Kinder Marga, Dora, Eberhard und Elfriede, einen gemeinsamen Reisepass.
Am 21. Februar 1923 bekommen sie vom Generalkonsul das Visum für die Einreise nach Brasilien.

Am 17 März 1923 beginnt die Reise in Bremen mit der "Gotha".
Das Schiff war während des Krieges Versorger für das Graf Spee Geschwader im Pazifik, wurde 1922 für über 800 Passagiere umgebaut.
Arend Röhrs gibt als Beruf "Landmann" an. Entweder hat er schon nicht mehr bei Koch & Bergfeld gearbeitet oder er sieht so für Brasilien größere Chancen, Landbesitz erwerben zu können.
Er nimmt zwei Revolver oder Pistolen der Marke Browning mit.
Anna, von Beruf Schneiderin, nimmt ihre Nähmaschine mit.
Die Reise geht über La Coruna in Spanien.
An Bord lernen sie Erwin Laug kennen, einen landwirtschaftlichen Tagelöhner aus Urloffen in Baden, zwischen Karlsruhe und Freiburg, 15 km östlich von Straßburg. Er ist 24 Jahre alt, ledig, und hat bis Buenos Aires gebucht. Er bemüht sich, die Familie Röhrs ebenfalls zur Weiterfahrt nach Buenos Aires zu überreden.
Am 1. April 1923 ist Äquatortaufe. Die nicht ganz achtjährige Elfriede, die ein wenig ängstlich ist, wird nicht untergetaucht. Sie bekommt nur ein paar Tropfen Wasser ins Haar geträufelt.
Am 7. April 1923 Ankunft in Rio de Janeiro an der "Ilha das Flores", der "Blumeninsel". Hier bleiben die Passagiere einige Tage in Quarantäne bis zur Weiterfahrt nach Sao Paulo (Bahn oder Schiff), wo sie am 14. April 1923 eintreffen.

Am 3. Mai 1923 schreibt Erwin Laug eine Postkarte für Familie Röhrs an die Adresse von Georg Wurtmann in Monte Alto.

Buenos Aires, den 3. V. 23.
Meine Lieben!
Bin gut hier angekommen und konnte ich glücklich Arbeit bekommen. Es ist hier sehr schlecht, und fahren viele wieder zurück. Bei Euch wird es auch nicht am besten sein, wie man hört? Gebt mir mal Antwort werde dann näher schreiben.
Adresse: Senior Erwin Laug, Buenos Aires, Calle Merend. 740, Argentinien
Es grüsst Euch Erwin

Vorderseite der Postkarte: Gruß und Kuss an Marga Auf Wiedersehen

In Monte Alto wohnen die Röhrs in einem kleinen Reihenhaus, alles Flachbauten, der Fußboden aus festem Lehm. Mit einem Reisigbesen wird ausgefegt. Die Eingangstür ähnelt der eines Schweinestalls auf einem niedersächsischen Bauernhof. Die obere Hälfte bleibt meist offen, sodass man sich bequem auflehnen kann.

Ein großes Problem ist das Ungeziefer, jede Menge Wanzen, Kakerlaken, Fliegen und vieles mehr. Die Beine der Betten stehen in Wasserbehältern, sodass wenigstens von dort nichts hochkrabbeln kann. Doch die Wanzen laufen auch an der Wand bis zur Decke hoch und lassen sich von dort auf das Bett fallen. Noch kurz vor ihrem Tod im Oktober 1934 spricht Anna Röhrs im Fieber von Wanzen.
Elfriede klagt irgendwann über starke Ohrenschmerzen. Ein Insekt hat in ihrem Ohr Eier abgelegt, die Larven wollen auch leben und müssen fressen! Eine Nachbarin, die sich schon auskennt, spült das Ohr mit Wasser aus.
Marga und Dora arbeiten auf der Kaffeeplantage. Für den Sack Kaffee gibt es nur dann Geld, wenn er bis zum Strich gefüllt ist. Aber selbst dann versuchen die Patronos zu betrügen. Doch Dora hält das Pferd so lange am Zaum fest, bis das Geld stimmt.
Elfriede hütet bei Nachbarn die Kinder und bekommt dafür Lebensmittel. Sie lernt als einzige die Sprache und kann bald übersetzen.
Anna ist grundsätzlich nur mit Revolver unterwegs.
Die Familie besitzt ein Pferd, eine Ziege und einen Hund. Das Pferd ist sehr mager, die Knochen stehen deutlich hervor, es kann kaum einen Kaffeesack schleppen.
Der Kurzhaardackel "Lion" ist auf Hühner spezialisiert. Er beißt in den Hals und legt sie vor die Tür des Hauses.
Beim Einkaufen wird nicht gern Bargeld genommen, lieber wird angeschrieben. Auf diese Weise werden viele Familien in Schulden und Abhängigkeit getrieben und müssen auf der Plantage bleiben.

Am 20. September 1924 heiraten Cornelio Sabino dos Santos und Marga Röhrs.
Cornel - wie er genannt wird - arbeitet als Säger in der Holzfirma. In der Freizeit lehnt er meist am Rahmen der Haustür und spielt Gitarre.
Ende 1924 oder Anfang 1925 heiraten Joao de Soura und Dora Röhrs.
Joao arbeitet auch in der Holzfirma, in etwas höherer Position.

Bei Margas Heirat muss schon klar gewesen sein, dass die Familie nicht in Brasilien bleiben will, denn unmittelbar danach macht sich Arend Röhrs auf den Weg nach Deutschland, um Geld für die Rückreise aufzutreiben.
Am 21. Oktober 1924 kommt Arend Röhrs in Bremerhaven an.

Vom 22. Oktober 1924 bis zum 30. Januar 1925 wohnt Arend Röhrs in Bremen, Neuenlanderstraße 147. Er versucht vergeblich bei Koch & Bergfeld eine Anstellung zu finden. Schließlich arbeitet er auf dem Bau.
Laut Einwohnermeldekartei soll auch die Tochter Elfriede bis zum 30. Januar 1925 in der Neuenlanderstraße 147 gewohnt haben. Dafür gibt es jedoch keinen weiteren Beleg und es ist in der Familie nie davon gesprochen worden.

Hermann Sievers, der Ehemann von Hermine, einem Pflegekind von Brüne und Anna Gesine Röhrs, vermittelt ihn an einen Bekannten, den Geigenbauer Franz Reber, Schüsselkorb 13, der Geld verleiht.

Am 11. Dezember 1924 bekommt Arend Röhrs ein erneutes Visum für die Einreise nach Brasilien.

Am 21. Januar 1925 bekommt Arend Röhrs von Franz Reber ein Darlehen von 1200 Goldmark zu 20% Zinsen jährlich. Am 2. Mai 1938 ist das Darlehen zurückgezahlt.

Bescheinigung!
Hierdurch bescheinige ich von Herrn Franz Reber, Bremen, Schüsselkorb 13, ein Darlehen in Höhe von
Goldmark 1200.- (Eintausendzweihundert)
1 Goldmark – 10/42 amerik. Dollar
erhalten zu haben; zu verzinsen mit zwanzig Prozent pro anno.
Zinsen sind in vierteljährlichen Raten zu zahlen. Ebenfalls erfolgt die Tilgung der Schuld in vierteljährlichen Raten von je Mk. 90.-
Als Sicherheit für die zu zahlenden Zinsen und Rückzahlungen verpfände ich die Mieten von dem Hause Gneisenaustraße 21.
Bremen, den 21. Jan. 1925
Joh. Haase als Generalbevollmächtigter
Arend Röhrs

Am 31. Januar 1925 fährt Arend Röhrs mit dem Schiff "Sierra Cordoba" von Bremen nach Rio de Janeiro. In der Passagierliste steht "Kührs, Arndt".
Am 19. Februar 1925 Ankunft in Santos.

Anfang Juli 1925 verlässt Familie Röhrs Brasilien, allerdings ohne die beiden Ehemänner. Mit der Bahn geht es bis zum Hafen Santos. Der Hund "Lion" läuft so lange hinter dem Zug her, bis er nicht mehr kann. In Santos werden ein Papagei und für Elfriede grüne und rote Schuhe gekauft.
Sie fahren mit der "Sierra Morena", einem ganz neuen Passagierschiff, erst bis Rio de Janeiro. Dort wartet schon Cornelio Sabino dos Santos, der mit der Bahn gekommen ist, und will seine Frau Marga, die hochschwanger ist, von Bord holen. Der Kapitän verhindert dies. Elfriede, die einen Pullover von Cornel trägt, wird eilig auf die andere Seite des Decks geschickt, sodass Cornel sie nicht sehen kann. Dora ist ebenfalls schwanger.

Elfriede Röhrs feiert während der Überfahrt auf dem Schiff am 17. Juli ihren zehnten Geburtstag. Da sie bei der Abfahrt des Schiffes erst neun Jahre alt war, musste für sie nur der Kinderpreis gezahlt werden. Dafür waren allerdings einige Gespräche notwendig.
An Bord schält die Familie Kartoffeln, um die Reisekosten niedrig zu halten.

Im Haus Gneisenaustraße 21 in Bremen wohnt Familie Doden. Bis sie hinausgeklagt ist, wohnt die ganze Familie Röhrs auf engstem Raum auf dem Dachboden. Wasser muss immer von unten geholt werden.
  I) 20.04.1901 Bremen , [F4907]
 Anna Margarethe Marie Hinrichs «aus 9977» , 25.12.1879 Bremen, 27.10.1935 Bremen, 31.10.1935 Bremen, Friedhof Buntentor, Stelle E 2281, Klasse 2, [I10182], Schneiderin, Geburtsurkunde. Nr. 3988 Bremen, am 29. December 1879
Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute, der Persönlichkeit nach durch den von Person bekannten Küper Albert Kruse anerkannt, der Kutscher Johann Diedrich Hinrichs, wohnhaft zu Bremen in der Hoffmannstraße Nr. 8, evangelischer Religion, und zeigte an, daß von der Anna Dorothee Hinrichs, geborene Meier, seiner Ehefrau, evangelischer Religion, wohnhaft bei ihm, zu Bremen in seiner Wohnung am fünfundzwanzigsten December des Jahres tausend acht hundert siebzig und neun, Vormittags um eineinhalb Uhr ein Kind weiblichen Geschlechts geboren worden sei, welches die Namen Anna Margarethe Marie erhalten habe.
Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben J. Hinrichs
Daß vorstehender Auszug mit dem Geburts-Hauptregister des Standesamts zu Bremen gleichlautend ist, wird hiermit bestätigt.
Bremen, am 16ten März 1901

Hierdurch wird bescheinigt, daß das früher Johann Diedrich Hinrichs gehörige, in der Vorstadt am linken Weserufer an der Gneisenaustraße Nr. 21 belegene, im Kataster mit 11.669 bezeichnete Grundstück laut Verfügung des Amtsgerichts Bremen, Abteilung Erbe- und Handfesten-Amt, vom 3. März 1913 in actis: V. L. 11.669 auf den Namen von:
Arend Röhrs Ehefrau, Anna Margarethe Marie geb. Hinrichs umgeschrieben worden ist.
Bremen, den 7. März 1913. der Gerichtsschreiber des Amtsgerichts


Gestorben im Willehadhaus.


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Erzeugt am 12.04.2017 mit Ortsfamilienbuch © von Diedrich Hesmer
basierend auf Daten aus "rohlfs_2017_04_u.ged"